Im Kantonsspital Aarau (KSA) wird partizipatives Workforce Management bereits umgesetzt. Welche Auswirkungen hat das? Welche Erfahrungen machen Geschäftsleitung und Health Professionals damit? Darüber haben wir uns mit Michael Zürcher, Leiter Human Resources und Mitglied der Geschäftsleitung im Kantonsspital Aarau, unterhalten. Er war Teil der im letzten Herbst durchgeführten Experten-Talks zum Megatrend New Work. Hier konnten bereits erste Einblicke zum Thema Partizipation während den Talks mit den Schwerpunkten Collaboration und Work-Life-Balance gewonnen werden. Nun möchten wir das Themenfeld mit ihm vertieft beleuchten.
Michael Zürcher, wie weit oben steht Partizipation bei Ihnen im Kantonsspital Aarau auf der Prioritätenliste? Und weshalb?
Ganz weit oben! Das Thema Partizipation steht ja auch im Zusammenhang mit den Bedürfnissen der kommenden Generationen. Der Wunsch nach mehr Partizipation wird zunehmend grösser . In einem 24-Stunden-Betrieb wie einem Spital bezieht sich das Thema Partizipation aktuell v.a. auf die Dienstplanung bzw. den Ausgleich zwischen der unregelmässigen Arbeit und dem Privatleben.
Wie fördert Ihr Unternehmen Partizipation im Allgemeinen?
Wir haben bereits einige Formen von Partizipation umgesetzt. Vor allem in der Pflege gibt es bereits Teams, welche die Mitarbeitenden bei der Dienstplanung miteinbeziehen und teilweise sogar völlig autonom machen lassen.
Bei der Kulturentwicklung haben wir zudem in Co-Creation-Workshops gemeinsam mit Mitarbeitenden aus allen Hierarchiestufen und Disziplinen die Grundsätze der Unternehmenskultur und der Zusammenarbeit entwickelt.
Unsere jährliche Engagement-Befragung ist ebenfalls vollumfänglich auf Partizipation ausgerichtet. Gemeinsam setzen sich Teams mit den Ergebnissen auseinander und definieren Massnahmen und Ziele zur Stärkung der Zusammenarbeit.
Die Befragung zeigt, dass das Thema «Meine Meinung zählt» von der Belegschaft als wichtig betrachtet wird. Wir erzielen damit gute Ergebnisse.
Welche Ziele wollen Sie damit erreichen und welchen Nutzen wollen Sie erzielen?
Dadurch wollen wir den Bedürfnissen der aktuellen und auch kommenden Generation von Fachkräften im Gesundheitswesen entsprechen. Die Suche nach Sinnstiftung in der Arbeit wird immer grösser , die Bedürfnisse der Belegschaft individueller und damit auch der Wunsch nach vermehrter Partizipation immer drängender. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es für Spitäler wichtig, den Dialog mit der Belegschaft zu fördern und sowohl bei der Personalgewinnung wie bei der Personalerhaltung auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeitenden einzugehen. Wir sind überzeugt, dass das Commitment dadurch nachhaltig positiv beeinflusst wird.
Gibt es allenfalls schon Resultate aufgrund umgesetzter Massnahmen ?
Das Feedback zeigt, dass die Mitarbeitenden eine positive Entwicklung wahrnehmen und die partizipativen Ansätze sehr schätzen. Das soll nicht heissen , dass die Partizipation schon überall vollständig ist oder deren Erwartungen umgesetzt sind. Die Richtung aber stimmt. Wir müssen und werden den Weg konsequent weitergehen, denn eine solche Kulturveränderung benötigt Zeit und kleine Schritte in der Umsetzung.
Handelt es sich dabei um kurz- oder langfristige Ansätze?
Beides. Kurzfristig können quick wins realisiert werden, indem z.B. der Dialog mit den Teams an der Front regelmässig gesucht wird. Oder indem die erwähnten Beispiele wie Bottom-up-Ansätze bei Entwicklungsvorhaben, bei der Dienstplanung oder bei spezifischen Aktivitäten umgesetzt werden. Dazu sind keine langjährigen Strategien notwendig, man kann und sollte es einfach tun.
Andererseits benötigen Unternehmen auch eine mittel- und langfristige Strategie, um das Thema Partizipation nachhaltig in der Unternehmenskultur zu verankern. Denn es sollen keine Einzelinitiativen bleiben, sondern über die gesamte Unternehmung hinweg wahrnehmbar sein.
Welches sind in Ihrem Unternehmen die zentralen Akteurinnen und Akteure hinsichtlich Partizipation?
Das oberste Management muss das Thema Partizipation explizit wollen und vorleben. Dazu gehört auch das Loslassen von bisherigen Strukturen, Gremien und Prozessen. Nur so wird der Wille, einen Wandel zu vollbringen, im Unternehmen spürbar. Die Vorgesetzten auf allen Stufen spielen bei der Partizipation eine zentrale Rolle. Wenn eine Stationsleitung in der Pflege nicht gewillt ist, die Mitarbeitenden bei der Dienstplanung partizipieren zu lassen, wird bei der Belegschaft keine Veränderung spürbar. Dies ist aber nicht ohne Weiteres möglich, dazu sind diverse Begleitmassnahmen notwendig. Auch die Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle. Letztendlich sind es aber auch Mitarbeitende, welche mit ihrem persönlichen Engagement den Erfolg der partizipativen Prozesse sicherstellen.
In welcher Form werden diese in digitale partizipative Prozesse eingebunden?
Die digitalen partizipativen Prozesse haben den Vorteil, dass Sie zu grosser Transparenz führen und die Veränderung sichtbar und messbar machen können. Es ist deshalb wichtig, alle Akteurinnen und Akteure von Beginn an eng beizuziehen und sie dabei zu begleiten.
Welche Partizipationslevel (Information, Mitgestaltung, Mitentscheidung) möchten Sie vorwiegend fördern?
Grundsätzlich möchten wir verschiedene Levels fördern. In einem 24-Stunden-Betrieb ist bereits die Information eine Herausforderung, da bei einem Grossteil der Belegschaft die Präsenz auf 24 Stunden verteilt ist. Gerade bei Mitarbeitenden am Patienten ist es deshalb schwierig, zeitnahe und nachvollziehbare Informationen zu vermitteln. Dort setzen wir neu auf digitale Kommunikationsformen, indem wir beispielsweise die Plattform Beekeeper verwenden, um mit der Belegschaft zu kommunizieren und sie an gewissen Diskussionen partizipieren zu lassen.
Zudem ist das Thema Mitgestaltung entscheidend. Durch die erwähnten Initiativen wie bei der Dienstplanung wollen wir in einem ersten Schritt die Mitarbeitenden mitgestalten lassen. Sobald diese Prozesse etabliert sind – und sozusagen als höchste Stufe in einem Spitalbetrieb –, ist es unser Ziel, die Mitarbeitenden auch vermehrt bei Veränderungen mitentscheiden zu lassen. Dies wird jedoch nur möglich sein, wenn wir die Unternehmenskultur vermehrt in diese Richtung entwickeln. Dazu wollen wir die jährliche Engagement-Befragung nutzen, welche wiederum durch die Mitgestaltung und letztendlich Mitentscheidung über die Massnahmen den Fortschritt der Teams massgeblich beeinflusst.
Welche finanziellen und personellen Ressourcen stellen Leistungserbringer im Gesundheitswesen für die Förderung des Themas Partizipation bereit?
Aktuell sind die Ressourcen zur Förderung der Partizipation noch gering. Weitere Investitionen in dieses Thema hängen auch von der strategischen Positionierung der jeweiligen Leistungserbringer ab. Persönlich bin ich der Meinung, dass gerade aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels nun der richtige Zeitpunkt ist, noch mehr Ressourcen zu Systematisierung der Partizipation bereitzustellen. Aus diesem Grund hat sich das KSA entschieden, sich aktiv in das von Innosuisse geförderte Projekt zur partizipativen Dienstplanung einzubringen.
Als aktiver Partner des von Innosuisse geförderten Projektes «Intelligente und partizipative Dienstplanung» haben Sie sich sicherlich mit den vier topplatzierten Fragen* betreffend Sollzustand auseinandergesetzt. Treffen diese auch in Ihrem Unternehmen den Puls der Zeit?
Es ist beeindruckend, wie hoch die Zustimmung bei den Personengruppen aus verschiedenen Leistungserbringern zu den Themen wie Freiwünsche, Dienstzuteilung, Diensttausch etc. ist. Auf der anderen Seite ist es auch beunruhigend, zu erfahren, dass der Istzustand vielfach anders bzw. schlechter beurteilt wird. Der erwähnte Sollzustand trifft selbstverständlich auch auf das KSA zu, wobei wir auch Unterschiede zwischen den Berufsgruppen feststellen (z.B. Ärzte vs. Pflege). Diese Unterschiede wollen wir bei der künftigen Lösung berücksichtigen, jedoch durch das neue Tool zur «intelligenten und partizipativen Dienstplanung» einen grossen Schritt in Richtung systematischer Partizipation machen.
Bestehen über die interne Partizipation bereits unternehmensübergreifende Netzwerke im Sinne von partizipativer Zusammenarbeit und Prozessen?
Ja, zum Beispiel wie erwähnt Co-Creation-Ansätze zur Gestaltung der Zusammenarbeit und Verbesserung der Unternehmenskultur sowie die Engagement-Programme. Aber auch bei der Personalplanung wird aufgrund des Fachkräftemangels am KSA die Dienstplanung vermehrt unternehmensweit abgestimmt und dadurch stärker auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden eingegangen.
Herr Zürcher, herzlichen Dank für diese interessanten Antworten.
Michael Zürcher
Leiter Human Resources,
Mitglied der Geschäftsleitung
im Kantonsspital Aarau
* Zur Erinnerung die vier topplatzierten Fragen mit der höchsten Zustimmung im Sollzustand:
1. 91 Prozent bestätigen, dass Freiwünsche berücksichtigt werden sollen (einzelne freie Tage).
2. 87 Prozent finden, der Prozess der Dienstzuteilung soll fair sein (klare Regeln, welche Dienste zu leisten sind, und Ausgeglichenheit bei der Berücksichtigung von Freiwünschen und Präferenzen).
3. 85 Prozent sagen, dass die Möglichkeit zum Tauschen von Diensten mit Kolleginnen und Kollegen gestärkt werden soll.
4. 82 Prozent finden, dass Präferenzen wie z.B. langfristige Vorlieben, Spät-/Nachtdienst oder spezifische freie Wochentage Berücksichtigung finden sollen.
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